Reges Treiben herrscht im Bahnhof
Aktöbe (Kasachstan). Soeben ist der Zug Nr. 7, Moskau – Almaty,
eingefahren. Viele Menschen verlassen den Zug und noch mehr steigen
ihm zu. Bislang hatte ich viel Platz im Viererabteil. 2 Nächte habe
ich alleine im Abteil verbracht – bei der Kommenden wird dies
höchstwahrscheinlich nicht mehr so sein.
Ich verlasse den Zug um einige Fotos zu
machen. Es ist bitter kalt draussen, -15 Grad! Nach ein paar
Aufnahmen drängt mich die Kälte wieder zurück in den Zug. In
'meinem' Abteil haben sich bereits zwei junge Kasachen breit gemacht.
Jirschan und Jokhan sind Semi-Profiboxer und hatten in Aktöbe je
einen Kampf und dadurch ein wenig Geld verdient. Jetzt sind sie auf
dem nach Hauseweg nach Chimkent, welches rund 24 Std. Zugfahrt von
Aktöbe entfernt liegt. Dementsprechend gut ist ihre Stimmung. Aus
ihren Handys dröhnen abwechslungsweise laute, kasachische Popsongs.
Hatte ich vorher allen Platz der Welt,
habe ich jetzt dafür eine spannende Begleitung. Nicht nur in meinem
Abteil läuft jetzt mehr, sondern auch im ganzen Zug. Aktöbe hat der
Zugfahrt gut getan.
Der Treffpunkt ist, wie könnte es
anders sein, der Speisewagen, in welchem jeden Abend ohrenbetäubend
laute, russische Musik gespielt wird. Ich lerne Oskar, einen Anwalt
mittleren Alters kennen.
Er will ein Whatsapp-Video mit mir
aufnehmen. Er gibt mir genaue Anweisungen wie er sich das Ganze
vorstellt. Also plappere ich meinen vorher bestimmten Text auf seine,
in gebrochenen Deutsch, vorher festgelegte Frage los; „Piiter, wie
findet Kasachstan?“ Piiter sagt völlig überraschend: „Kasachstan
ist ein wunderschönes Land und die Menschen sind äusserst
freundlich“ - Ich erhalte Bestnoten vom Regisseur.
Umgehend sendet er das Video an seine
ganze Bekanntschaft. Prompt erhält er Antwort von seiner Frau,
welche mich zum Essen und Übernachten bei ihnen einlädt, was
sicherlich interessant wäre, aber leider aus Zeitgründen nicht im
Plan liegt. Oskar zeigt mir noch ein paar Videos von seinem grossen
Haus und seinem grossen, deutschen Schäferhund, welcher sein ganzer
Stolz zu sein scheint. Anschliessend verschwindet er mit der
Bemerkung, dass jetzt Gebetszeit sei.
Dann sind da noch Ashkat, Alexeij und
Midhed. Ashkat fährt ebenfalls nach Almaty, um dort einen
Sponsorenvertrag seiner Firma mit dem kasachischen
Gewichtheberverbands abzuschliessen. Alexeij ist, nach seinen
Angaben, Reserve-Kosmonaut im Weltraumbahnhof Baikonur gewesen und
ist jetzt mit 44 Jahren pensioniert. Seit seiner Pension fehlt ihm
aber eine Aufgabe und er trinkt zu viel. Hätte er nicht zu erwähnen
brauchen – er kann sich kaum mehr auf den Beinen halten. Midhed ist
ebenfalls betrunken. Die Mutter des 40 jährigen Agraringenieurs ist
Tags zuvor verstorben und er ertrinkt seine Trauer in Wodka. Der arme
Kerl lallt nur noch und wird deshalb, unverständlicherweise, von den
Mitreisenden im Speisewagen nur belächelt.
Jirschan und Jokhan haben
zwischenzeitlich, bei einem der wenigen Halte, eine grosse Menge
geräucherten Fisch gekauft und diese im Abteil gelagert. Es riecht
im Abteil wie auf einem Fischkutter und wir würden wahrscheinlich
mühelos eine Lizenz als Fischmarkt erhalten.
Am nächstenTag sind Jirschan und
Jokhan weg. Die Fische auch – der Duft jedoch bleibt. Ihre Plätze
nehmen jetzt ein Vater/Sohn Gespann ein, welche in Chimkent an einer
Hochzeit waren, wobei der Vater aussieht wie Dschingis Khan in
Lederjacke.
Schnell ist auch diese Nacht vorüber
und wir fahren in Almaty, der ehemaligen Hauptstadt Kasachstans,
pünktlich ein. Mehr als die Hälfte der Reise liegt somit hinter
mir...
|
- 15 Grad in Aktöbe |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Aktöbe |
|
Jokhan, Jirschan und der kleine Nursultan |
|
Jirschan und Jokhan auf Fischsuche |
|
Reges Treiben an den Bahnhöfen |
|
Kole -wir sind dann doch noch Freunde geworden |
|
Zug Nr. 7 |
|
|
|
|
|
Speisewagen |